Freitag, 19. Juni 2009

Der Südwesten Kanadas

Nach unserem mehrtägigen Aufenthalt bei der Couchsurfer-Familie in Calgary machten wir uns auf den Weg in Richtung Westen in die kanadischen Rocky Mountains. Die von uns angepeilte Strecke nennt sich Icefield Parkway im Banff und Jasper Nationalpark und verheisst traumhafte Ausblicke auf Berge, Seen und Gletscher. Wir wurden nicht enttäuscht; die gesamte Strecke war atemberaubend, doch es herrschte immer noch Winter. Die Campingplätze waren grösstenteils geschlossen und auf halber Strecke steckten wir für drei Tage fest, da Frau Holle uns einen halben Meter Neuschnee bescherte. Die verschneite Landschaft sah märchenhaft schön aus und versetzte uns fast in Weihnachtsstimmung; doch zum Weiterfahren mussten wir uns eben gedulden. Der schwere Frühlingsschnee schmolz jedoch schnell und für die kommenden drei Wochen bescherte uns Petrus Sonne und sogar Hitze. Wir hatten das Gefühl vom Winter direkt in den Sommer zu fahren. Endlich konnten wir unsere Sonnencrème wieder auspacken!
Kurz vor Jasper, dem letzten Ort entlang des Icefield Parkways, bekamen wir unseren ersten Schwarzbären aus nächster Nähe zu sehen. Auch wenn wir die Strassenseite wechselten um die Distanz zum Bären zu vergrössern, schlug unser Puls höher. Auf jeden Fall hielten wir den Bärenspray griffbereit; entsprechend verwackelt wurde das schnell geschossene Foto.

Anstatt weiter nördlich in Richtung Alaska zu radeln, entschlossen wir uns, quer durch den südwestlichen Teil Kanadas an die Küste nach Vancouver zu pedalen. Unser Weg führte uns von Jasper nach Kamloops und über Lillooet der Duffey Lake Route entlang nach Pemberton, Whistler und Vancouver. Anfangs war das Gebiet nur sehr dünn besiedelt, weshalb wir an einem Tag gleich mehrere Bären zu Gesicht bekamen. Beispielsweise picknickten wir gemütlich am Strassenrand, bis wir entdeckten, dass Meister Petz unweit von uns auch seinen Bauch füllte. In rekordverdächtiger Zeit packten wir unsere Sachen zusammen und fuhren weiter. Die Strecke war teilweise recht steil und anspruchsvoll. Leider stieg unser Höhenmesser schon vor einiger Zeit aus, weshalb wir nur noch die bewältigten Kilometer, nicht aber die Höhenmeter zählen können.

Mit der Sonne kam auch unsere Campinglust. Wir zelteten jeden Abend und zwischendurch durften wir wieder bei Radlerfamilien „warmshowern“. So legten wir in Pemberton einen velofreien Tag bei Warmshower Anna und Niki ein. Anna arbeitet auf einer Farm und so konnten wir die grünen Spargeln fürs Znacht gleich selber pflücken. Wir bekochten uns gegenseitig und gingen zusammen wandern.

Nördlich von Vancouver setzten wir per Fähre auf die Sunshine Coast über. Am besten gefielen uns an dieser Küste die staatlichen Campingplätze inmitten von Regenwäldern. Unser Aufenthalt dort war trotz kalter Dusche und den vielen Mücken (es war so schlimm, dass wir ein Kopfnetz trugen) ein Highlight unserer Reise. Von der Sunshine Coast setzten wir auf Vancouver Island über und liessen uns von zwei verschiedenen Warmshowern verwöhnen. Unser Ziel auf Vancouver Island war auch ein Besuch des West Rim Nationalparks an der Westseite der Insel mit seinen wunderschönen Stränden und Regenwäldern. Per Fähre gings von Vancouver Island nach Vancouver City. Diese Stadt wurde letzthin zur lebenswertesten Stadt der Welt erkoren, was wir selber hautnah erleben durften. Nebst hilfsbereiten Menschen, atemberaubender Natur und velofreundlichen Routen hat die Stadt noch so einiges zu bieten. Zwei Tage wohnten wir bei einem älteren Warmshower-Ehepaar und wurden nach Strich und Faden verwöhnt. Wir bekamen ein Zimmer mit Sicht über die Bucht auf Downtown, wurden vom Feinsten bekocht und in der Stadt umhergeführt. Vancouver und die umliegenden Skiorte sind übrigens der Austragungsort der kommenden Olympischen Winterspiele 2010, was wir überall zu sehen bekamen.

Da wir nun so schnell wie möglich Alaska erreichen wollten, entschieden wir uns, die Strecke Vancouver- Alaska mit einem schnelleren Transportmittel als mit dem Velo zurückzulegen. Wir verglichen die Preise der Fähren mit denjenigen der Kreuzfahrten und stellten erstaunt fest, dass der Preisunterschied derart klein ist, dass die Entscheidung zugunsten der Kreuzfahrt leicht fiel.
Beim Einchecken auf dem Schiff staunte das Securitypersonal nicht schlecht, als wir mit unseren Velos auftauchten. Dies sei noch nie vorgekommen. An Bord war der Kontrast zum Radler- und Campingalltag enorm, und wir genossen die Abwechslung. Vom Schiff aus konnten wir zahlreiche Wale beobachten und bekamen einen Einblick in die schroffe Küstenlandschaft Alaska mit seinen Gletschern und Fjorden.
Nun freuen wir uns aber extrem auf das Abenteuer Alaska, weg von all dem Menschenrummel, hinein in die Einsamkeit. Alaska wir kommen!